Aktuelle Informationen zu Planung und Bauvorbereitung der A100-Verlängerung und zum Widerstand gegen
das verkehrs- und umweltpolitisch schädliche Vorhaben von SenStadt
Das Vorhaben ist rückwärtsgewandt und wird ein in Beton gegossenes Denkmal für das autogerechte Denken
konservativer „Stadtväter“ des letzten Jahrhunderts: Zwar sind die Zahlen für das Verkehrsaufkommen im individuellen,
motorisierten Stadtverkehr eindeutig rückläufig, aber die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (SenStadt) hält um
jeden Preis an der Verlängerung der A100 von Neukölln nach Alt-Treptow (16. Bauabschnitt) fest. Darüber hinaus
plant sie schon munter an der Streckenfortführung durch dicht bebaute Wohnsiedlungen jenseits des Ostkreuzes,
den 17. Bauabschnitt.
Rot-schwarze Verkehrspolitik: ein Trauerspiel
Um das ökologisch und verkehrspolitisch unsinnige Straßenbauprojekt, das mindestens 500 Millionen Euro
verschlingen wird, auch gegen den Widerstand von Betroffenen und Umweltinitiativen durchzusetzen,
spielt SenStadt gerne das Hase und Igel-Spiel. So wurden seit Ende November vergangenen Jahres die Straßenbäume
in der Neuköllnischen Allee, Grenzallee und Sonnenallee unter Polizeischutz gefällt. Dabei werden auch gern großzügig
vor und hinter der eigentlichen Trasse der geplanten A100 die Bäume gefällt.
Wie zum Hohn ist nahe der Kreuzung Sonnenallee/Aronsstraße ein Bauschild zu sehen, auf dem eine Maßnahme
zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität beschrieben wird. Mit dieser Baumaßnahme möchte man die Nutzbarkeit
der Fläche erhöhen und damit das Stadtumbauziel „Straße als Raum“ umsetzen. Es fehlt nicht viel, da verkauft SenStadt
die Verantwortung für diese stadtzerstörerischen Maßnahmen noch als „Schöner leben an der Autobahn“ – in Zeiten
knappen Wohnraumes und sozial ungerechter Wohnungsmarktpolitik ist alles möglich.
Auch die Bäume in der Kiefholzstraße wurden inzwischen gefällt, ohne dass das Bezirksamt auch nur Kenntnis davon
bekommen hat. Die Fällung der denkmalgeschützten Platanen in der Straße Am Treptower Park behält man sich,
als besonderes Wahlkampfgeschenk für die Abgeordnetenhauswahl, für das Jahr 2016 vor.
Illegale Baufeldfreimachung? – Augen zu und durch
Mitte Dezember 2013 arbeitete SenStadt sich weiter vor – und schrak auch vor nicht ganz legalen Mitteln zurück.
Für die Baufeldfreimachung sollten auf dem letzten privaten Grundstück in der Neuköllnischen Allee, auf dem Aktivisten
um Robin Wood von ihrem Baumhaus aus bislang Fällungen verhindern konnten, am 17.12. die Bäume gefällt
und das Baumhaus der Naturschützer geräumt werden. Dabei war das Argument, das Land sei seit Mitte Dezember
Besitzer des Grundstücks, nur ein Vorwand und nicht rechtens. Rechtsanwalt K. Sommer, der auch schon den BUND
und die BISS im Klageverfahren gegen den Bau vertreten hatte, untersagte SenStadt das Betreten des Gebäudes.
Polizei und Bauarbeiter mussten das Gelände verlassen. Das Grundstück ist weiterhin Gegenstand von gerichtlichen
Auseinandersetzungen, denn der Eigentümer möchte sein 2011 erworbenes Grundstück wegen der guten Lage und
der darauf befindlichen Halle unbedingt behalten. Er ist fest entschlossen, den Instanzenweg bis zum Schluss zu gehen.
Ein weiterer Räumungstermin am 20. Januar 2014 wurde ebenfalls verschoben, weil das Oberverwaltungsgericht
über die Klage des Grundstückseigentümers noch nicht entschieden hatte.
Nun ist die Räumung auf Anfang Februar verschoben worden; Weiteres bleibt abzuwarten.
Fotos: Harald Moritz (November 2013)
Aus dem Weg räumen: nach den Bäumen die Menschen
Am anderen Ende der geplanten Verlängerung, in Alt-Treptow, an der geplanten Ausfahrt Am Treptower Park
muss die Senatsverwaltung noch einmal umplanen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte entschieden, dass die Häuser
Beermannstraße 18 und 16 nicht für den 16. Bauabschnitt der A100 abgerissen werden dürfen und sechsspurige
Autobahn noch vor der Beermannstraße in eine vierspurige Ausfahrt münden muss. Hier haben sich BISS, BUND
und die privaten Kläger durchsetzen können.
Aber die verbliebenen Betroffenen bekommen die betonharte Hand von SenStadt zu spüren: So hat SenStadt
den Mieter/innen der Beermannstraße 20 und 22 gleich am ersten Arbeitstag des neuen Jahres gekündigt,
um die Häuser nahe der Trassenführung abreißen zu können.
Obwohl an der A100-Verlängerung wegen der exorbitanten Kosten noch gut acht Jahr lang gebaut werden soll,
will der Senat nun mit dem Rausschmiss der Mieterinnen und Mieter den Abriss der knapp 100 Wohnungen
in der Beermannstraße 20 und 22 vorbereiten. Fakten schaffen – damit die Investitionskosten in diese Fehlplanung
angesichts der engen Haushaltslage kein Zurück mehr erlauben – das ist so durchsichtig wie unsozial.
Zwar verspricht die Senatsverwaltung beim Umzug behilflich zu sein, aber die MieterInnen verlieren ihr soziales Umfeld
und werden in ihrem Kiez keinen adäquaten Ersatz finden. Der Ortsteil Alt-Treptow ist eine begehrte Wohngegend,
dementsprechend gibt es kaum freie Wohnungen. Die Mieten sind in den letzten Jahren auch hier enorm gestiegen.
Damit zeigt sich die unsoziale Seite dieses verkehrspolitisch sowie stadt- und umweltpolitisch kontraproduktiven
Prestigeprojekts.
Doch so schnell lassen sich die zum Teil langjährigen Bewohner/innen nicht vertreiben. Sie holen sich derzeit rechtlichen
Rat und bekommen auch Unterstützung von unserem BISS-Mitglied Harald Moritz, Mitglied im Abgeordnetenhaus
für Bündnis 90/Die Grünen. Er rät dazu, die Bedingungen eines Wohnungswechsels genau zu prüfen
und sich nicht vorschnell dem Druck des Senats zu beugen!
Zu den Empfehlungen an die Mieter/innen von H. Moritz: Mieterbrief_Beermannstr._Dez 13
Senator Müller sagt „nein“ zum Ausgleich der Differenz zwischen alten und neuen Miete der durch den erzwungenen
Wohnungswechsel anfallen wird. (Protokollauszug, 16.1.2014)
17. Bauabschnitt: Nächster Bausumpf und weitere Stadtzerstörung vorprogrammiert
Für den geplanten Bau des 17. Abschnitts der A100 vom Treptower Park, unter dem Ostkreuz hindurch bis nach
Friedrichshain und Lichtenberg hat der Berliner Senat keinen Überblick über die wirklichen Kosten.
In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen beziffert er die entstehenden Kosten
mit 531,2 Millionen Euro. Diese Schätzung beruht aber nur auf einer Anpassung der Baukostenschätzung
von 1999 auf das heutige Niveau. Bei dem wesentlichen Kostenfaktor, dem geplanten Tunnel unter der Neuen
Bahnhofstraße und Gürtelstraße, hat der Senat offenbar keinen Plan wie der gebaut werden soll und welche
Auswirkungen dadurch auf den Gebäudebestand verursacht werden. Zum Bundesverkehrswegeplan (BVWP)
hat die Senatsverwaltung eine sechsstreifige Autobahn mit einem Querschnitt von 25 Metern im Tunnel angemeldet.
Wie sechs Fahrstreifen inklusive Mittelstreifen, Standstreifen und Fluchtwege auf 25 Meter passen sollen, ist
vollkommen schleierhaft. Das Gleiche gilt für das Vorsorgebauwerk für die Tunnelanlage, die am Ostkreuz bereits
im Bau ist. Weitere Kostenfaktoren wie die Spreequerung oder die Lage und Auswirkungen der Anschlussstellen
im Bereich Ostkreuz und Frankfurter Allee sind ebenfalls weiter unklar.
Die BISS stellt heraus, dass die bei der Anmeldung zum BVWP angegeben Daten nichts mit der Realität zu tun haben.
Sie dienen nur dazu, die Kosten des Betonprojekts für eine erfolgreiche Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan
klein zu rechnen. So kündigt sich für Berlin neben dem Flughafen BER und der Staatsoper schon der nächste
Bausumpf an: alle Großprojekte werden immer teurer als ursprünglich geplant und der Öffentlichkeit vorgegaukelt.
Wir fordern den Senat auf, seine Betonverkehrspolitik des letzten Jahrhunderts endlich aufzugeben und sich auf
zukunftsfähige Verkehrslösungen für die Großstadt Berlin zu konzentrieren, die für alle Verkehrsteilnehmer/innen
sinnvoll, sicher und zielführend effektiv sind.
Diese Autobahn wird weder die Innenstadt noch Wohngebiete entlasten, sondern wird – das haben die BISS
und ihre Verbündeten wie der BUND seit dem Planfeststellungsverfahren belegt – zu mehr Verkehr in Neukölln,
Alt-Treptow, Friedrichshain, Kreuzberg und bis auf die Ringstraßen in Prenzlauer Berg führen.
(hier die vollständige Kleine Anfrage 17-12786)
Wir geben nicht auf: BISS und Verbündete wehren sich weiterhin gegen den Weiterbau
Die Bürgerinitiative Stadtring Süd hat trotz des rücksichtslosen Vorgehens der Senatsverwaltung nicht aufgegeben.
Sie trifft sich weiterhin in unregelmäßigen Abständen und zu aktuellen Anlässen.
Unterstützung ist weiterhin willkommen: wer persönliche, materielle, inhaltliche oder rechtliche Unterstützung
leisten will, melde sich bitte unter info@stop-a100.de.
Text: Harald Moritz, Birte Rodenberg
Dokumente und Informationen über den Widerstand gegen den Ausbau der A100
Unser Flugblatt zum Spatenstich der A100-Verlängerung
BISS und BUND gratulieren zur dümmsten Autobahn Deutschlands
Hier das gemeinsame Infoblatt von BISS und BUND
Bund bezahlt die A 100
Trotz einem enormen Sanierungsbedarf bei den Verkehrsinfrastrukturprojekten in Deutschland gibt Verkehrsminister Ramsauer
lieber Geld für Neubau-Prestige-Objekte.
Für die Verlängerung der A 100 von Neukölln zum Treptower Park, die im kommenden Frühjahr mit einem Spatenstich
zelebriert werden soll, stellt der Bund das Geld bereit.
Nur ein Teilerfolg bei der A100, sonst Klage abgewiesen
Das Bundesverwaltungsgericht wird mit seinem Urteil am 10.10.2012 über den Weiterbau der A100 den
Planfeststellungsbeschluss nicht aufheben.
Im Verfahren wurde nicht über den vermeintlichen Sinn und Unsinn der Baumaßnahme entschieden, sondern die Rechtmäßigkeit
Planfeststellungsbeschlusses. Dabei wurden Mängel erkannt, u.a. bei der Ermittlung des LKW-Verkehres und der
Variantenprüfung. Einige dieser Widersprüche wurden mit Vergleichen der Grundstückseigentümer geheilt, so beispielsweise
der Erhalt der Beermannstraße 16 und 18. Trotz dieser geänderten Pläne sind in den Unterlagen immer noch Unstimmigkeiten
zu finden. Aus diesen Gesichtspunkten ist das Urteil für uns nicht nachvollziehbar.
Trotz alledem war unsere Arbeit in den letzten Jahren nicht vergebens: denn die vorgenommenen Planänderungen wurden einst
von Einwändern eingereicht und wurden im Rahmen der Erörterung vom Senat abgelehnt.
Wir als BISS halten auch mit den Urteil die Verlängerung der A100 für überflüssig. Wir werden uns auch weiterhin dafür
stark machen, dass hoffentlich vor einem möglichen Baubeginn das Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan genommen wird.
Kostenexplosion bei A100-Verlängerung
Der Bericht des Bundesrechnungshofs hat eine erhebliche Kostensteigerung bei der Planung des Neubaus des 16. Bauabschnitts
der A100 dargestellt.
Die Kosten für die Verlängerung der A100 steigen um 55 Millionen Euro auf 475 Millionen Euro.
Zusammen mit den Planungskosten übersteigen die Gesamtkosten nunmehr die Grenze von einer halben Milliarde Euro,
der Kilometerpreis liegt jetzt bei über 156 Millionen Euro. Das hat eine Kalkulation des Bundesrechnungshofs auf Anfrage
des Deutschen Bundestags ergeben. esentliche Gründe für die Kostenexplosion sind die allgemeine Baupreisentwicklung,
konkrete Berechnungen von Bauwerken sowie steigende Grunderwerbskosten. Bei der Berechnung wurden sogar Einsparungen
von 30 Millionen Euro durch eine bisher noch nicht genehmigte Änderung der Trogbauweise eingerechnet. Der Rechnungshof
sieht darüber hinaus noch weitere Kostenrisiken durch Entsorgung kontaminierter Stoffe, Konkretisierung bisher nur pauschaler
Kostenberechnungen und künftigen Preisentwicklungen.